Laudatio for Ronald Dworkin

On December 15, 2006, Professor Ronald Dworkin received the Bielefeld Science Award in Bielefeld, Germany. Dworkin is professor at the New York University School of Law and at the University College London. The award is set up in memory of the German sociologist Niklas Luhmann.

The laudatio for Ronald Dworkin was held by Professor Jürgen Habermas.

"Frankfurter Allgemeine Zeitung" has published Habermas' speech in its issue Monday December 18:

"Wer kann wen umarmen? Konsensussuche im Streit: Lobrede auf Ronald Dworkin, den Philosophen, Polemiker und Bürger".

From the speech:

(....) Dworkin "ist ein Solitär sowohl im Kreise der Rechtsgelehrten wie der Philosophen, er genießt große Reputation unter den öffentlichen Intellektuellen seines Landes, er ist ein begnadeter politischer Redner. Mit etwas weniger Brillanz, Widerspruchsgeist und Genialität wäre er längst Richter am Supreme Court in Washington geworden." (....)

"Er kämpft nicht nur gegen Rechtspositivisten, die die moralischen Gehalte des Recht neutralisieren, sondern auch gegen Rechtsrealisten, die das Recht an die Politik angleichen und es als ein weiteres Instrument zur Gestaltung der Zukunft gebrauchen. Dworkin verteidigt den normativen Eigensinn des Rechtsmediums gegenüber dem Versuch, das Recht in seiner Rolle als Organisationsmittel der staatlichen Macht aufgehen zu lassen. Wer Rechte ernst nimmt, darf sie nicht gegen unerwünschte Konsequenzen abwägen und die Konditionalprogramme, wie Luhmann sagen würde, den Zielprogrammen einfach unterordnen." (....)

"Dworkin wollte von vornherein die Politik- und Rechtsphilosophie auf ein breiteres Fundament stellen. Er entfaltet die Grundbegriffe und Verfahren des demokratischen Rechtsstaates aus der Substanz und dem kämpferischen Geist eines ethischen Liberalismus. Dieser steht und fällt mit einer bevorzugten Konzeption des richtigen Lebens und einer spezifischen Lebensform. Der Aristoteliker in Ronald Dworkin scheut vor einer anthropologischen Begründung der gerechten politischen Ordnung nicht zurück. Das richtige Bild vom Menschen trägt die ästhetisch-expressiven Züge der schöpferischen Person, die die Verpflichtung spürt, aus ihrem Leben etwas Produktives zu machen. Am Anfang steht die Einsicht, daß wir für die Gestaltung unseres eigenen Lebens verantwortlich sind. Kant behält nicht das letzte Wort. Am Jüngsten Tage müssen wir Rechenschaft ablegen, aber nicht in erster Linie über die Wunden, die wir anderen zugefügt haben, sondern über die verspielten Möglichkeiten des eigenen, falsch genutzten Lebens. Die Achtung gegenüber anderen gründet in der Generalisierung dieser Pflicht sich selbst gegenüber. Dieser Vorrang der ethischen Freiheit des einzelnen Gesellschaftsbürgers vor der moralisch-politischen Freiheit des Staatsbürgers erklärt auch den zwischen Rawls' und Dworkins Konzeptionen der Verteilungsgerechtigkeit." (.....)

"Dworkin läßt kein heißes Eisen aus. Er verhandelt uneingeschüchtert Guantánamo und die Verweigerung von Justizgrundrechten, die terroristischen Gefahren und jene Folterpraktiken, die als coercive interrogation verniedlicht werden; er diskutiert über staatliche Sicherheitsinteressen und die Eingriffe in individuelle Bürgerfreiheiten, über die Todesstrafe und die utilitaristische Aushöhlung des Strafrechts; er spricht über den religiösen Fundamentalismus und die weltanschauliche Neutralität des Staates, über die Homosexuellenehe und das Verhältnis des biblischen Glaubens zur Autorität der Wissenschaften; er erörtert die neoliberale Wirtschaftspolitik und die Frage der sozialen Gerechtigkeit, den Sozialstaat als Legitimitätsbedingung der Demokratie und die Zerstörung der politischen Öffentlichkeit durch die Medienmacht der privaten Konzerne. Aber dieses Mal zeichnet sich seine Argumentation dadurch aus, daß er als Patriot über sehr tiefe Gräben hinweg die Grundlagen der gemeinsamen politischen Kultur beschwört. Hier appelliert einer im Tenor von "We Americans" an die Gegenseite, den besseren Teil der nationalen Werte nicht zu vergessen.

Weil ich weiß, wie sehr mich selbst die Polemik in ähnlich angespannten Situationen reizt, verhehle ich nicht meine Bewunderung für die demokratische Geistesart dieser um Konsens werbenden Intervention, die den Faden der diskursiven Auseinandersetzung auch mit extremen Gegnern nicht abreißen lassen will. Blindes Vertrauen in die Zerreißfestigkeit der eigenen politischen Kultur ist gewiß nicht ungefährlich; aber in begründeten Fällen ist es Ausdruck der reiferen demokratischen Tradition."

Top